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Der Senat lässt sich eine Aufklärungskampagne zum Cannabiskonsum rund 100.000 Euro kosten – auch die RedakteurInnen von Mittendrin waren kreativ und haben Plakat-Ideen der etwas anderen Art gesammelt.
„Glaubwürdig“ wolle man sein, nah dran an den Jugendlichen und dabei nicht mit erhobenem Zeigefinger auftreten: Mit einer neuen Aufklärungskampagne will der Senat über die Risiken des Cannabiskonsums aufklären und dabei ganz locker-leicht in den Dialog mit jungen Menschen treten. Also kommt die Kampagne im Gewand eines interaktiven Kreativwettbewerbs daher: Irgendwie bunt, frisch, modern und eben total kreativ soll das Ganze wirken – die TeilnehmerInnen können selbst gestaltete Plakate und Videoclips einsenden, auch kreative Performances in der Stadt, die „für Aufregung sorgen“, sind gern gesehene Beiträge. Am Ende werden die besten Ideen mit diversen Preisen ausgezeichnet – Geld, iPads und PlayStation-Konsolen versüßen die Teilnahme. Rund 100.000 Euro lässt sich der Senat die Aufklärungskampagne kosten – gut angelegtes Geld, wenn man den Worten der Gesundheitssenatorin Glauben schenken mag. Schließlich sei der Cannabiskonsum unter Jugendlichen in Hamburg deutlich angestiegen – „besorgniserregend“ sei das, Störungen der Lern- und Gedächtnisleistungen und ein erhöhtes Unfallrisiko seien mögliche Folgen.
In der Mittendrin-Redaktion hat die Senatskampagne für rege Diskussionen gesorgt – und selbstverständlich stellen auch wir uns nur zu gern derart kreativen Herausforderungen. In Anlehnung an das offizielle Plakat zur Anti-Cannabis-Kampagne haben wir daher eigene Vorschläge erarbeitet. Dass wir uns dabei ein wenig vom ursprünglichen Themenkomplex entfernt haben, sei uns verziehen: „Egal ob humorvoll, nachdenklich oder völlig durchgeknallt. Alles ist erwünscht. Alles ist erlaubt“, heißt es schließlich im Aufruf zur Kampagne selbst. Also haben wir uns erlaubt, soziale und ökologische Probleme in den Fokus zu stellen, die es leider noch nicht bis zur eigenen Kampagne geschafft haben – aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Also, lieber Senat: Statt 100.000 Euro für die Realisierung vermeintlich hipper und partizipativer Präventionskampagnen zu zahlen, wirf doch bitte einen Blick auf folgende Themenvorschläge.
Luftverschmutzung im Hafen
Alternativ-Kampagne Luftverschmutzung
Kreuzfahrtschiffe wie die „Queen Elizabeth“ oder die „Aida“ sorgen regelmäßig für andächtiges Staunen unter den Touristenscharen – Umweltverbänden zufolge schaden die Dampfer jedoch Gesundheit und Umwelt: Eine Analyse des NABU ergab, dass kaum ein Schiff über eine ausreichende Abgasreinigung und Rußpartikelfilter verfügt, außerdem setzen weiter alle Reeder auf Schweröl als Kraftstoff. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor einer massiven Gefährdung von Anwohnern, Gästen und Crewmitgliedern durch Schiffsabgase.
Polizeigewalt
Nicht erst seit den Protesten rund um die Lampedusa-Flüchtlinge oder die rote Flora steht die Hamburger Polizei immer wieder in der Kritik. Ein umstrittener Polizeieinsatz während einer Demonstration am 21. Dezember 2013, in dem verschiedene Beobachter und Journalisten eine Verletzung der Versammlungsfreiheit sehen, bleibt bis heute unaufgeklärt. Von hunderten zivilen Verletzten wurden im Anschluss lediglich zwei Verletzte von Seiten der Innenbehörde bestätigt. Die Einrichtung eines Gefahrengebietes im Januar sorgte bundesweit für Aufsehen und stand erneut in Konflikt mit den Grundrechten. Auch während eines friedlichen Protestes einer Gruppe Flüchtlinge auf dem Rathausmarkt setzten Polizeibeamte massiv Gewalt ein, während andere Beamte remonstrierten. Doch eine öffentliche, politische Auseinandersetzung mit der Rechtmäßigkeit von Polizeieinsätzen fehlt bis heute.
Soziale Ungleichheit
Während die soziale Spaltung in Hamburg immer größer wird, hält der Senat auch weiterhin an der Ausrichtung des traditionsreichen „Matthiae-Mahls“ fest. Seit 1356 treffen sich Regierungschefs, gekrönte Häupter und wirtschaftliche Eliten zum festlichen Schmaus im Hamburger Rathaus – und jedes Jahr belaufen sich die Kosten für das glanzvolle Spektakel auf mehr als 100.000 Euro. Tatsächlich gilt Hamburg als reiche Stadt – doch die Langzeitarbeitslosigkeit liegt auf einem hohen Niveau, viele SeniorInnen sind von Altersarmut betroffen, das Verarmungsrisiko ist hoch.
Fracking
Viele HamburgerInnen fürchten die gesundheitlichen Risiken des so genannten Frackings: Bei der modernen Fördertechnik von Öl- und Erdgasressourcen kommen Chemikalien zum Einsatz, die das Trinkwasser belasten können. Wie groß die Risiken genau sind, ist bisher kaum erforscht. In Deutschland wird die Entscheidung, das Fracking zuzulassen, immer wieder vertagt. Im Hamburger Süden wird derzeit jedoch bereits nach Gasvorkommen gesucht.
Grafiken: Tobias Johanning
Titelbild: BGV
hh-mittendrin.de/2016/06/komme…
17.5.2018 01:21Kommentar: Lieber Senat, wie wär’s damit?Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Unterstützerinnen und Unterstützer,
hier bei HH-Mittendrin ist es still geworden – das ist vielen von euch in den vergangenen Wochen sicher bereits aufgefallen.
Leider haben wir uns dazu entschieden HH-Mittendrin nicht mehr weiter fortzusetzen. Das hat vor allem einen Grund: Wir können den redaktionellen Betrieb nicht länger finanzieren.
Was im Herbst 2012 als kleines lokaljournalistisches Projekt begonnen hat, entwickelte schnell den Anspruch, tagesaktuell, kritisch und auf den Punkt über Entwicklungen im Bezirk Hamburg-Mitte zu berichten. Viele Autorinnen und Autoren haben HH-Mittendrin auf dem Weg vom kleinen Projekt hin zu einer eigenen kleinen Redaktion begleitet – mit viel Kreativität, Solidarität und Idealismus.
Insbesondere seit unserer Arbeit im Gefahrengebiet ist HH-Mittendrin vielen von euch ein Begriff. Rückblickend müssen wir sagen, die Bekanntheit, die wir in dieser Zeit erlangt haben, war für uns gleichzeitig Fluch und Segen. Der plötzliche hohe Bekanntheitsgrad ging vor allem auch mit dem eigenen Anspruch einher, tagesaktuell, wie eine vollbesetzte Redaktion, berichten zu können. In der Realität haben wir jedoch alle in anderen Jobs unser Geld verdient und versucht unsere Autoren zu bezahlen. Hinter HH-Mittendrin stand nie ein großer Geldgeber oder Kredit, sondern vor allem Idealismus.
Da wir es in den vergangenen Jahren nicht geschafft haben, HH-Mittendrin finanziell auf einen grünen Zweig zu bringen, mussten wir schweren Herzens die Entscheidung treffen, dass es von nun an nicht mehr weiter gehen wird.
Wir bedanken uns herzlich, bei jedem Leser und jeder Leserin, die uns in den vergangenen Jahren begleitet, kritisch kommentiert und mit uns diskutiert hat. Ein großer Dank geht auch an all diejenigen, die versucht haben uns mit kleinen Geldbeträgen zu unterstützen und auch an die Journalistinnen und Journalisten, die für uns recherchiert, fotografiert und geschrieben haben, sich die Finger wundgetwittert und die Füße auf Demonstrationen platt gelaufen haben und an die Idee von einem jüngeren, kritischen Lokaljournalismus in Hamburg geglaubt haben.
Ein besonderer Dank richtet sich an die Kolleginnen und Kollegen, die sich in den vergangenen Jahren über ihre Tätigkeit als Redakteure hinaus in der Gestaltung und Planung und den Ressorts des Magazins engagiert haben: Marvin Mertens (Ressortleiter Stadtgespräch), mit einem Auge für die menschlichen Geschichten im Bezirk und das Nachtleben zwischen Wilhelmsburg und St. Pauli; Annika Lasarzik (Ressortleiterin Politik), mit einem besonderen Talent für messerscharfe politische Reportagen; Maria Wölfle (Ressortleiterin Kultur), die sich mit Herzblut und Feingefühl dem kulturellen Geschehen in Mitte gewidmet hat; Dominik Brück (Mitgründer, Ressortleiter Politik), mit einem großen Herz für die Bezirkspolitik und außerdem das Politikwerft Designbüro für unermüdlichen technischen Support und die Gestaltung unserer Homepage.
Wir sind uns sicher, wir sehen oder lesen uns wieder, in Hamburg oder anderswo!
Eure Mittendrin-Redaktion.
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17.5.2018 01:21Das war´s: Mittendrin sagt Tschüss!Mit neuem Album auf Tour: Die Hamburger Rapband Neonschwarz bringt ihre zweite Platte „Metropolis“ raus. In Hamburg startete die Tour, doch die Band gibt gleich noch zwei Heimspiele. Neben ihrer Releaseshow in der Roten Flora tritt die Band auch auf dem Spektrum Festival auf.
Vor zwei Jahren startete die Rapgruppe Neonschwarz mit ihrem Album „Fliegende Fische“ durch. Mit dem Floß unterwegs und einem Sommerhit an Bord brachten die drei Hamburger Rapper eine Tour hinter sich und gelangten zu bundesweiter Bekanntheit. Nun werfen Captain Gips, Marie Curry, Johnny Mauser und DJ Spion Y am 6 Mai ihr zweites Album „Metropolis“ auf den Markt. Die zweite Platte setzt sich weniger mit Utopien auseinander als mit dem Thema Stadt an sich.
Das neue Album „Metropolis“ vermittelt Großstadtflair: Themen, Probleme, Bewegungen einer Großstadt werden angesprochen. Es geht aber auch um die schönen Momente und Eigenarten einer Stadt.
Mit dem Albumtitel „Metropolis“ kann man vieles in Verbindung bringen. Dass es einen gleichnamigen Science-Fiction Film über eine extreme Zweiklassengesellschaft gibt, passt da gut ins Bild. Denn vor allem die kritischen Seiten und die „luxuriöse“ Situation, in der man sich in einer Großstadt wie Hamburg befindet, werden thematisiert. „Es geht nicht unbedingt um eine greifbare Stadt, nach dem Motto wir rappen über Hamburg. Sondern schon eher um ein Ballungszentrum, indem natürlich viel passiert. Positives wie negatives“, erklärt Johnny Mauser. Deshalb habe die Band sich auch für diesen Namen entschieden. „Das ist halt eigentlich ein ganz guter Name für eine Fantasiestadt. Wir sind ja nicht die ersten, die den Namen nutzen“, sagt Marie Curry. „Es ist auch ein Stadtname, mit dem man ein bisschen Utopie und Fantasie ausdrücken kann.“
Wer das Album durchgehört hat, merkt schnell, dass die verschiedenen Songs fast alle das Thema Stadt als gemeinsamen Nenner haben. „Es ist cool, wenn sich die Songs alle irgendwo verorten lassen. Das macht es auch angenehm, ein Album durchzuhören. Egal ob es um fiktivere Sachen geht oder um greifbare, unser Thema ist Stadt“, sagt Johnny Mauser. Schon das Artwork soll einen in eine Fantasiestadt hineinführen.
Henry Lührs hat sich die zweite Platte angehört, war bei Videodrehs dabei und hat mit Neonschwarz über das neue Album, politische Zustände und die Tour gesprochen.
Im Song „Kennenlernende“ beschreibt ihr euren Werdegang. War es euch wichtig den Fans mal zu erzählen wie die Band entstanden ist?
Marie Curry: Ja, erstmal werden wir das oft gefragt. Dann ist uns aufgefallen, dass wir eigentlich relativ wenig von uns selbst erzählen. Wir haben uns gedacht: darüber machen wir jetzt mal einen Track. Vor allem weil es eigentlich sehr schön war, wie wir zueinander gefunden haben.
Johnny Mauser: Auch weil wir sehr unterschiedliche Typen in der Band sind. Jeder hat seine Story. Wir sind jetzt schon lange dabei und ein bisschen älter geworden. Darum finde ich den Song ganz passend. Spion und ich kennen uns schon aus unserer Schulzeit. Es gab lauter unterschiedliche Andockungen, die interessant sind zu erzählen.
Spion Y: Beim letzten Album wurden wir in einem Interview vom Hamburger Abendblatt freundlich darauf hingewiesen, dass wir relativ wenig von uns erzählen. Das haben wir uns natürlich zu Herzen genommen, es war aber nicht der Grund, warum wir diesen Song geschrieben haben.
Im Song „Check Yo´Self“ rappt ihr: „Du redest über Flüchtlinge, mit deinen Kumpels am Stammtisch, Ich Kotz dir auf die Füße und schrei Antifa heißt Angriff“ – Eckt ihr mit eurer Meinung auf Festivals und anderen Veranstaltungen an?
Captain Gips: Bislang nicht. Die meisten wissen ja, aus welcher Richtung wir kommen. Ich erlebe so etwas eher bei YouTube. So richtig angeeckt sind wir aber noch nicht. Ich habe mich auch schon gewundert, warum bisher keine Nazis unsere Konzerte gestört haben.
Marie Curry: Ich erlebe, dass gerade bei Facebookpostings solche Kommentare häufiger werden. Auch als ich das letzte Mal ein politisches Posting gemacht habe, gab es erschreckend viele Troll-Kommentare. Da habe ich gedacht: „Jetzt kommen die auch bei uns an.“
Captain Gips: Wir waren immer in unserer ‚Zeckenblase‘. Jetzt kommen wir da raus und treffen natürlich auf solche Leute. Wir haben eben darüber geredet: Wenn Rap.de plötzlich was von uns postet, fragen natürlich viele: Was ist denn das für ein Scheiß?
Spion Y: Auf Konzerten war aber davon glücklicherweise bislang noch nichts spürbar. Man hat ja schon Geschichten von anderen gehört. Vielleicht denken sich ein paar Leute ihren Teil, aber das war bislang kein Problem.
Johnny Mauser: Grundlegend ist eine Neonschwarz-Tour positiv geprägt. Ich glaube, dass Leute, die sich nicht politisch auseinander setzen, sich nicht der linken Szene zuschreiben würden oder uns nicht kennen, uns auf dem ersten Blick auch nicht als eine vermummte Aggropunkband wahrnehmen. Wir machen ja auch recht positiven Hip Hop. Wenn wir dann Statements auf der Bühne bringen, nimmt man uns die auch ab. Zum Glück gibt es aber auf Festivals viele Leute, die was gegen Rassismus haben und mit dem, was wir sagen, etwas anfangen können.
Die Ananas. Schon lange ein Symbol der linken Rapgruppe Neonschwarz. Vor allem auf dem Album „Fliegende Fische“ und bei der Release-Show auf der Stubnitz war sie noch präsenter. „Im neuen Album geht es jetzt mehr um die Stadt. Da spielt die Ananas nicht mehr eine so große Rolle.“ sagt Johnny Mauser. Die Ananas sei sinnbildlich für das süße Leben, was sie sich immer wieder wünschten. Damals in Zeiten des Floßes sei das aktuell gewesen.
„Ein bisschen was von der Ananas hat es trotzdem noch aufs neue Album geschafft“, lenkt Marie Curry ein, die insbesondere die gesungenen Parts der Band übernimmt. „Den Song mussten wir einfach nochmal machen“, sagt Johnny. Und so hat „Dies Das Ananas“ quasi das neue Album der Band mit einem fetten Video eingeleitet.
Dafür hatte sich die Band am Park Fiktion und bei der Roten Flora getroffen. Mit viel Pyro wird die Antwort der Band auf Leistungsdruck, Ordnungswahn und Gesellschaftliche Normen deutlich: Dies Das Ananas. Das der Song Hit-Potenzial hat, zeigen die Reaktionen. „Nach einem Tag hatten wir so viele Klicks, wie noch nie zuvor“, erzählt Marie Curry begeistert. Besonders auf ehrliches Feedback von Freunden legt die Band Wert. „Insgesamt ist das auch im Freundeskreis sehr positiv angekommen“, sagt Spion Y.
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Der Song „Drahtesel“ wirkt wie eine Art Hommage ans Fahrrad in der Stadt. Wie steht ihr zur Critical Mass Bewegung?
Marie Curry: Ich find das total geil, aber bin da tatsächlich noch nie mitgefahren. Die fahren immer bei mir zu Hause vorbei. Dann weiß ich: es ist wieder Critical Mass. Das ist halt ein bisschen anarchistisches „durch die Stadt fahren“. Ich hab aber das Gefühl, dass da viele Fahrradnerds nur mit Rennrädern fahren. Unser Song heißt ja ‚Drahtesel‘. In dem Song fahren wir ja eher so klapper-schrott Räder. Ist also kein Song fürs Stylerfahrrad sondern eher fürs Schrottfahrrad.
Spion Y: Ich bin kein großer Fahrradfan und bei mir geht die Begeisterung jetzt nicht so weit. Ich fahre kein Fixie oder so, auf einem normalen Rad bin ich zufrieden. Trotzdem kann ich die Leute verstehen, die das abfeiern. Ich finde das cool, dass die das ausleben. Der Song an sich gehört zu meinen Favoriten. Er ist kurz und knackig und hat viel Tempo. Ursprünglich war der Song gar nicht so aufs Fahrradfahren bezogen, es ging mehr darum, dass wir uns gegenseitig abholen. Irgendwann hat sich das mit dem Trinken und Fahrradfahren eingeschlichen. Eigentlich völlig unverantwortlich. Normalerweise trinken wir auch nicht so viel.
Johnny Mauser: Ich muss dazu sagen: ich würde mich lieber betrunken aufs Fahrrad setzen, als ins Auto zu steigen. Trotzdem gibt’s für beides die gleichen Strafen.
Ist der Song „Jogginghosentag“ als ein Korb an die Leistungsgesellschaft zu verstehen?
Johnny Mauser: Das war immer schon so ein Teil von Neonschwarz, den Leistungszwang zu hinterfragen. Die Idee zu dem Song ist aber schon zwei Jahre alt.
Marie Curry: Im Albumkontext ist der Song auch sehr speziell. Der Refrain wird langsamer, es geht ums zurücklehnen.
Spion Y: Ich glaube, dass sich jeder irgendwie mit dem Song identifizieren kann. Die Jogginghose ist einfach ein Freund. Das war übrigens der Song, den wir zuerst produziert hatten.
Wie auch die Ananas hat es die Utopie mit aufs neue Album geschafft. Die Forderung nach einem besseren, gerechteren Leben bleibt Thema bei Neonschwarz. Im Song „Atmen“ wird das deutlich. Johnny Mauser singt im Refrain: „Dein Lieblingsspruch: ‚Her mit dem schönen Leben, bleibt nicht länger eine Phrase’“. Aber was macht ein schöneres Leben aus?
Die Passage sei weniger auf die Band selbst bezogen, erklärt der Rapper. „Uns persönlich geht es natürlich relativ gut. Trotzdem ist die Zeit, ob in Deutschland, in Europa und der ganzen Welt, durch Krisen geprägt. Unsere Idee von einem schöneren Leben geht mit einer gerechteren Verteilung einher. Sodass für alle Menschen ein schönes Leben greifbar ist.“ Marie Curry ergänzt: „Auch in der Luxussituation, in der wir alle uns befinden, gibt es viele Sachen, die Scheiße sind.“ Deshalb müsse man sich hin und wieder mal freikämpfen.
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Die Hamburger Rapper sind mit der aktuellen politischen Situation nicht zufrieden, das wird auch noch einmal in dem Song „2015“ deutlich, welcher an den Song „2014“ anknüpft. Damals thematisierte der Song die Anhäufung von Anschlägen auf Flüchtlingsheime. „Als wir 2014 geschrieben hatten, wussten wir noch nicht mal, dass Pegida entstehen wird und alles andere, was danach losging. Das Problem, das uns beschäftigte, als wir 2014 geschrieben haben, war noch läppisch im Gegensatz zu der Situation, die wir jetzt haben“, erklärt Marie Curry. Man merkt schnell, dass der Band die aktuelle politische Situation Sorgen macht. Alle vier sind sich einig, dass sich nicht nur nichts verändert hat seit 2014, sondern die Situation um einiges schlimmer geworden ist.
Viele aktuelle Themen wie Pegida, der Rechtsruck in Deutschland und Rassismus greift ihr auch im neuen Album auf. Inwiefern kann man mit Songs politisch was bewegen? Geht’s euch mehr darum eigene Gedanken und Meinungen zu verarbeiten oder wollt ihr auch Leute motivieren?
Marie Curry: Ich glaube, was die Mobilisierung angeht, darf man sich nicht zu viele Hoffnungen machen. Man würde sich überschätzen, wenn man glaubt, dass man richtig was ins Rollen bringt, weil man einen Song schreibt. Das ist meistens nicht so. Aber natürlich regen uns bestimmte Sachen total auf, dafür nutzen wir auch den Platz auf der Bühne.
Johnny Mauser: Besonders positiv war es dort, wo es den Leuten in dem Zusammenhang nicht so gut geht. Beispielsweise in Dresden und Sachsen generell. Da kommen dann Leute nach dem Konzert zu uns und sagen: „Mega gut, dass ihr da wart. Erstens, weil wir einen guten Abend hatten und sonst die letzten Monate damit beschäftigt waren, uns Nazis in den Weg stellen. Und zweitens: Es ist gut, dass es eure Songs gibt, weil wir spielen sie beispielsweise auf unseren Demos.“ Daher weiß ich auch, dass unsere Songs oft auf Anti-Pegida-Protesten laufen und ich glaube, das hat schon einen Effekt. Natürlich sollte man den nicht überschätzen, aber für die Leute, die mit 14 vielleicht gerade anfangen sich zu sozialisieren und gucken, wo dock ich mich jetzt an. In solchen Fällen hoffe ich, dass wir unseren Teil positiv beitragen.
Ein Lied von euch heißt „Kinder aus Asbest“ Wen meint ihr mit diesen Kindern?
Johnny Mauser: Der Song ist ein bisschen unkonkreter, aber das ist auch gut so. Das ist kein Song, den man eins zu eins erklären kann oder sollte. Es war für uns auch neu etwas Fiktives zu machen. Es geht nicht um bestimmte Kinder, wir haben das bewusst ein bisschen offen gelassen. Es hat auf jeden Fall Spaß gemacht, ein bisschen rumzuspinnen.
Marie Curry: Ja, wir lassen da viel Platz für Assoziationen. Es wird auch keine reale Geschichte erzählt. Eigentlich kommt bei dem Song auch ein bisschen das Ambivalente durch, inwiefern man sich in einer Stadt bewegen kann oder was eine Stadt ausmacht. Meiner Meinung nach ist das der bildlichste und unkonkreteste Song vom Album. Sowas haben wir auch einfach vorher noch nicht gehabt.
Für den Song „Doppeldeckerbus“ haben sich Neonschwarz etwas Besonderes ausgedacht. Freunde, Mitwirkende und ein paar Fans konnten zusammen mit der Band in einem gemieteten klassischen Doppeldeckerbus durch die City cruisen. So war zum Beispiel auch die Newcomerin Finna mit an Bord. Während der Fahrt hat die Band ihr Musikvideo gedreht. Im Voraus wurden für die Bustour Tickets verlost. Fans sollten dafür vorschlagen, welcher Ort unbedingt angesteuert werden soll.
Die Tour richtete ihre verschiedenen Stationen nach den im Song besungenen Orten. Das heißt, vom Altonaer Balkon bis in die Hafencity war einiges dabei. Mit reichlich Bier und guter Laune wurde schon am Vormittag des ersten Tourkonzertes gefeiert, Audiolith-Chef Lars Lewerenz holte während der Tour sogar zwei Paletten Nachschub.
Am selben Abend spielte die Band im Uebel & Gefährlich vor vollem Haus. Das Konzert war schon lange im Voraus ausverkauft. Mit einem Medley aus alten Songs heizte Neonschwarz den Fans zuerst ordentlich ein, dann folgten die neuen Songs. Die bereits erschienenen Tracks wurden lauthals mitgeschrien. Die linke Rapgruppe aus Hamburg, entfernt sich immer weiter aus ihrer kleinen „Zeckenblase“.
#Doppeldeckerbus #Metropolis #NeonschwarzA photo posted by spion (@spion_y) on Apr 8, 2016 at 5:00am PDT
#sondafahrt #neonschwizzy #doppeldeckerbus
A photo posted by Henry (@henrycls) on Apr 8, 2016 at 4:31am PDT
Wenn ihr in Hamburg stadtpolitisch drei Dinge von jetzt auf gleich verändern könntet, was wäre das?
Marie Curry: Aktuell wäre das für mich natürlich mit der Flüchtlingsthematik verbunden. Dass es viele dezentrale Orte gibt, wo Flüchtlinge untergebracht werden können. Dass es gute Betreuung gibt. Dass sie nicht jeden Tag stundenlang anstehen müssen. Dass es eine gute Infrastruktur gibt, um das aufzufangen. Mir wäre es auch wichtig, dass der Wille, das zu wuppen, in der Stadt ganz klar spürbar ist.
Captain Gips: Dezentrale Unterbringung auf jeden Fall. Und die Mietenverhältnisse müssen ganz grundsätzlich geändert werden.
Johnny Mauser: Bei so viel Leerstand wäre es ja auch technisch denkbar, dass einiges realisierbar ist. Es ist natürlich nicht leicht, so viele Menschen gleichzeitig dezentral unterzubringen, aber für mich gehört zu Integration eben auch, dass die Menschen auf Augenhöhe in unserer Gesellschaft mit uns leben können und nicht mit ein paar Cent an den Stadtrand gedrängt sind. Ein Miteinander wäre mir wichtig. Ist natürlich eine schwere Aufgabe. Aber ich glaube, es könnte in Hamburg schon um einiges besser laufen. Die abschreckenden Faktoren in unserer Stadt sollten auf jeden Fall mal ein bisschen runtergefahren werden, um es vorsichtig auszudrücken.
Eure Tour startete ja am 8.4 in Hamburg. Ihr spielt unter anderem nochmal auf dem Spektrum. Worauf freut ihr euch in diesem Jahr?
Johnny Mauser: Es ist neu für uns, mal auf einem reinen Hip-Hop-Festival zu spielen. Es ist immer sehr cool, in autonomen Zentren aufzutreten oder auch auf Festivals, wo mehr Punkrock als Hip Hop ist. Aber mal sowas zu machen, wo man mit den Beginnern oder SSIO auf einer Bühne steht, ist auch mal cool. Das wird auf jeden Fall spannend mal auf so einem Festival unsere Meinung mitzugeben.
Marie Curry: Auch das Hip Hop Open in Österreich wird spannend. Da kommen schon neue Dinge auf uns zu.
Neonschwarz Konzerte in Hamburg:
06.05.2016, Rote Flora, 22 Uhr
06.08.2016, Spektrum Festival auf dem Dockville Gelände
hh-mittendrin.de/2016/04/neons…
17.5.2018 01:21Neonschwarz: „Metropolis“ ist ein Album der GroßstadtAuf, ihr Knallköppe, den letzten Frost aus den Gliedern geschüttelt und losgemosht! Was im April so los ist in Heavy Metal Hamburg, das weiß Justus Ledig.
Nee, dass im vergangenen Winter zu wenig an hartem Zeug in der Stadt losgewesen wäre, darüber braucht sich wohl keiner zu beklagen. Und doch begrüßen wir mal artig das Frühjahr – bei zweistelligen Temperaturen, so sie denn kommen, glüht es sich draußen schließlich besser vor.
Den Auftakt zum Konzertgeknatter im April machen Leprous, die gemeinsam mit Voyager an diesem Dienstag das Logo verzücken möchten. Progressives aus Norwegen und Australien erwartet euch. Weiter geht es mit einem dreifachen Freitag am 8. April: Beim Droneburg VI stehen Abest, Buried at Sea, Switchblade, Downfall of Gaia, Mountain Witch und Cranial auf der Bühne des Hafenklangs. Zeitgleich rumpelt es unter dem Motto Awaking Corpses Part V gewaltig im Bambi Galore bei Weak Aside, Obscure Infinity, Endseeker sowie Discreation. Und schließlich treten End of Green mit ihrem “Darkoustic”-Set im Gruenspan auf.
Es wird gleich ein sehr amtliches Wochenende, muss man sagen! Hobby-Wikinger freuen sich über die North Winds Over Europe am folgenden Sonnabend. Im Rock Café St. Pauli heben Månegarm aus Schweden, Skyforger aus Lettland sowie Ereb Altor (ebenfalls aus Schweden) die Hörner. Sonntagabend steht dann zur Wahl: Düster-Progressives von Crippled Black Phoenix mit Secrets of the Moon und Grime im Logo; Death Metal von Gorguts mit Psycroptic, Dysrhythmia und Nero Di Marte im Headcrash sowie feiner Horror von The Vision Bleak mit Saturnus und John Haughm von Agalloch im MarX. Mein lieber Herr Gesangsverein!
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Montag, Schontag – oder auch nicht. Die sträflich vernachlässigte Astra-Stube öffnet am 11. des Monats die Tore für stoneriges Zeug von SautruS und MOEWN. Einen Tag später ist mal wieder das Bambi Galore an der Reihe, wo Abysmal Grief und Epitaph das doppelte italienische Doom-Metal-Gedeck servieren. Am 13. April zieht es euch entweder ins MarX zu Borknagar, Kampfar und Diabolical. Bei der European Winter Thrice Tour wird gepflegter Krach serviert, zweimal aus Norwegen, einmal aus Schweden. Alternativ hat das Headcrash J-Metal im Angebot: Dio – Distraught Overlord mit Originalmitgliedern lassen sich von ihren Landsleuten Dirtrucks begleiten.
Und dann wäre da wieder Bobby Liebling mit seiner alterwürdigen Doom-Metal-Combo Pentagram, die am Donnerstag, den 14. April, mit Mondo Drag über den Klubsen herfallen. War letztes Jahr nicht übel, sag ich euch! Es folgt ein fetter Freitag: zum einen mit Moloken, Collapse Instinct und Bleak Mountain im Bambi Galore – da wird von Progressivem über Doom bis hin zu Post Hardcore einiges geboten. Zum anderen steigt das Sturm und Klang Festival 2016 im Knust, wo Vogelfrey mit Stahlmann, Reliquiae und Johnny Deathshadow am Start sind.
Der anschließende Sonnabend ist ebenfalls prall gefüllt: Lasst euch von Van Canto, Freedom Call und den Grailknights in der Markthalle Feuer unterm Hintern machen. Eine weitere Möglichkeit bietet das Rock Café St. Pauli mit dem gemischten Metal-Paket The Unguided, Black Radar, Eyes Wide Open und Hopelezz. Und schließlich werden Melody of My Heartbeat, Declare Your Funeral und I Am The Deceiver Metalcore durch die Pooca Bar dröhnen lassen.
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Wer glaubt, das mittlere April-Wochenende wäre damit gelaufen, irrt: Sonntag stehen noch die psychedelischen Blood Ceremony auf der Bühne des Rock Café St. Pauli und im Logo geben sich satte sechs internationale Melodic-Death-Metal-Bands die Klinke in die Hand. Freut euch auf Nightrage, Rise to Fall, Monoscream, Bloodstorm, Norrsköld und Chugun. Last but not least wird im Hafenklang gedoomt bei Behold! The Monolith, Chrch und Hell (USA). Dagegen ist das Konzert von LizZard am Dienstag, den 19. April, fast schon eine Erholung – wobei es die experimentierfreudigen Franzosen hoffentlich anders sehen.
Zwei (Ex-)Legenden an einem Abend erwarten euch den anschließenden Donnerstag: Udo Dirkschneider wird mit Unterstützung von Anvil auf der Back to the Roots Tour 2016 ein letztes Mal mit Accept-Songs die Markthallen-Bühne rocken, während Blaze Bayley und Revendaria im Bambi Galore auftreten. Dort ist einen Abend später wieder Trash- und Death-Action angesagt bei Violator, Nuclear Devastation, Hydrophobic und Revolt. Außerdem holt Axel Rudi Pell sein Hamburg-Konzert in der Großen Freiheit 36 nach. Das Wochenende darauf wird mit Dust Bowl Jokies im Rock Café St. Pauli (Sonnabend) und Kenn Nardi mit Bleeding im Bambi Galore (Sonntag) vergleichsweise ruhig.
Wir gehen in die letzte Woche. Elder und Carousel lassen am 26. April ihr Schwermetall im Hafenklang auf die Horde los. Mittwoch, den 27. des Monats, habt ihr die Wahl zwischen der Coverband The Iron Maidens samt We Are The Catalyst in der Markthalle, den Butcher Babies und Sumo Cyco im Rock Café St. Pauli und es darf auch wieder aufs Schiff gehen – die MS Stubnitz lädt zu The Rods, Nö Class und Stone Cold Black ein. Insgesamt ein Tag voll klassischem Metal mit gewisser femininer Schlagseite.
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Ein gemischtes Skandinavien-Paket schnürt euch das Bambi Galore am 29. April mit Raunchy, Electric Deathbeat, Wasteland Skills sowie Expellow. Gleichzeitig wird es im Uebel & Gefährlich progressiv, dort sind nämlich Long Distance Calling zu Gast. Anstatt in den Mai zu tanzen wird am letzten April-Sonnabend gemosht, zum Beispiel im Bambi Galore bei dem dicken Thrash-Bündel Ultra-Violence, Toxic Waltz, Headshot und Thrash Dictator. Am selben Abend gedenken Soulforger die Pooca Bar zu bespaßen und auf der Progression Tour 2016 zocken Despised Icon, Bury Tomorrow, Blessthefall, Any Given Day und Vitja im Knust. Wer am 1. Mai noch zappeln kann, der begebe sich in die Markthalle. The 69 Eyes kredenzen, begleitet von The Fright, ihren Goth Rock in der Markthalle.
Die Auswahl ist groß, die Zinsen sind schlecht: Es gibt also mal wieder gute Gründe, sein Geld besser in krachende Konzerte anzulegen, als es auf der Bank verschimmeln zu lassen. Passt auf eure Ohren auf, ihr Lieben! Bis zum nächsten Mal.
hh-mittendrin.de/2016/04/kolum…
17.5.2018 01:21Kolumne „Krach am Dienstach“ im April von und mit Justus LedigBlack Metal für Menschen, die kein Black Metal mögen: Das sind Bands wie Deafheaven oder Myrkur. Justus Ledig nahm deren Gigs ganz unterschiedlich wahr.
Das Publikum ist wie erwartet keine ganz typische Metal-Meute an diesem Dienstagabend. Wenn eine Band ein “Post” in der Stilbezeichnung trägt, zieht dies fast automatisch einige Menschen an, die schon optisch die Genre-Grenzen sprengen. Ein bisschen Indie-Klamotte, ein paar mehr Mützen und Brillen, das soll gewiss nichts Schlechtes sein. Nein, es ist angenehm, wenn Metal seine Kreise erweitert und nicht bloß im eigenen Saft schmort.
Erst gegen 21 Uhr soll es losgehen. Myrkur stehen zuerst auf der Bühne im Uebel & Gefährlich, das noch nicht ganz voll ist. Mit Amalie Bruuns elfenhafter Stimme zu eigener Pianobegleitung beginnt der musikalische Abend. Aus puristischen Black-Metal-Kreisen schlägt der dänischstämmigen Amerikanerin, die ihr kreatives Schaffen bislang in Mode und Singer-/Songwriter-Musik auslebte, viel Ablehnung entgegen. Viele Szeneangehörige nehmen Myrkur nicht ernst, Machismo spielt gewiss eine Rolle, zweifellos bedient sich Bruun durchaus deutlich großer Vorbilder wie Ulver. Kritische Stimmen hinter vorgehaltener Hand sind auch vereinzelt im Publikum zu vernehmen.
Gewiss werden Myrkur mit ihren Auftritten nicht alle Hater verstummen lassen. Der sphärische Sound mit der überwiegend klaren, hall-geschwängerten Stimme von Amalie Bruun geht allerdings unter die Haut. Sicherlich gewinnt die Band vor allem beim Songwriting keine Innovationspreise, doch der Kontrast von kaltem, rohem und doch melodischem Black Metal mit den beeindruckenden Vocals der Frontfrau ist ein offenes Ohr wert. Und Myrkur lassen ihren Sound sprechen, übertriebene Show spart man sich. Auch Ansagen gibt es von Bruun kaum. Vielleicht wäre etwas weniger Hall und etwas mehr Druck auf den seltenen Growl-Gesängen noch der richtige Feinschliff. Insgesamt aber lösen Myrkur die Erwartungen durchaus ein. Das Bathory-Cover “Song to Hall Up High”, allein von Piano und Stimme dargeboten, ziert den Abschluss des Gigs.
Das Uebel & Gefährlich hat sich zu Deafheaven, dem Haupt-Act, weiter gefüllt – ohne, dass es unangenehm wäre. Nur die Luftqualität lässt etwas zu wünschen übrig. Dass es warm ist, wird auch Sänger George Clarke zu spüren bekommen! Der Frontmann der Kalifornier tut bald selbst genug dazu, dass er massiv ins Schwitzen kommt. Grundgütiger, hat man jemals einen Protagonisten solcher Musik derartig bewegungsfreudig gesehen? Wie auf Speed zeichnet Clarke jeden Takt, jeden Trommelschlag mit dem ganzen Körper nach, einem Dirigenten gleich. Das ist ein seltsames Bild, das nicht wirklich zu der melancholischen, verträumten Musik passt, die Deafheaven so spielen.
Die Instrumentalisten hingegen gehen voller entrückter Hingabe auf in dem Crossover aus Shoegaze und Black Metal, der auch gerne als “Blackgaze” beschrieben wird. Die gefühlvollen Gitarrenriffs jagen auch dem Publikum wohlige Schauer über den Rücken. Auffällig: Headbanger sind an diesem Abend absolute Ausnahme. Vielmehr schwelgen die Hamburger ebenso wie Bass und Gitarren in dem effektvollen Sound, den Deafheaven auf der Bühne zelebrieren. Drummer Daniel Tracy arbeitet derweil hochkonzentriert an der Schießbude und lässt sich ebenfalls durch nichts aus der Ruhe bringen.
Wenn da nur nicht das Herumgehampel des Frontmannes wäre! Ja, man muss es sagen, das nimmt der kunstvollen Musik von Deafheaven einiges von ihrem Zauber. Vielleicht erschließt sich die Performance all jenen, die sich in den Texten der Amerikaner auskennen? Zu verstehen ist davon aufgrund des eigenwilligen Gefauches von George Clarke kein einziges Wort, nicht mal als geübter Extreme-Metal-Hörer. Schade, das gefällt auf Platte doch ein Stück besser.
So bleiben Myrkur an diesem Abend die Gewinner, denn ihnen gelingt es weit besser, ein Gesamtkunstwerk auf die Bühne zu bringen. Deafheaven, zweifellos eine bemerkenswerte Band, die zurecht Hörer weit jenseits der Black-Metal-Szene erschlossen haben, könnten ihre Musik mit einem anderen Darbietungsansatz vielleicht noch besser in Szene setzen.
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17.5.2018 01:21Jenseits von Schwarzmetall: Deafheaven und Myrkur im Uebel & GefährlichJan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und dabei feministische Töne im Horrorgenre und eine neue Runde Schattenboxen gegen die Rundfunkgebühr gefunden.
Zur Demokratie gehört die Kritik daran zwingend dazu. Man darf Parlamentswahlen demnach gern für manipulativ halten, elitengesteuert, sogar überflüssig – mangelndes Entertainment ist ihm nur noch selten vorzuwerfen. Der deutsche Supersunday etwa bot vor einer Woche zumindest öffentlich-rechtlich feinste Unterhaltung mit kompetenter Berichterstattung vor allem im Ersten, gefolgt von einer hinreißend klugen Anne Will im Anschluss, der das ZDF – nach gewohnt debiler Primetime-Verseifung – die gehaltvolle Maybrit Illner entgegenstellte. Gewiss, die Stimmverteilung attestiert bis zu einem Viertel der Wähler in drei Ländern zwar eher das Niveau von Inga Lindström als der Talkshowgastgeberinnen, aber sei’s drum: die freiheitlich demokratische Grundordnung muss (und kann) auch geistige Schlichtheit schlucken.
Sie puffert ja auch seit Jahrzehnten das Schattenboxen wider die Rundfunkgebühr ab, das gerade in die gefühlt 2763. Runde ging und auch im laufenden Prozess nicht mit dem Aus dessen enden wird, was Kritiker als Zwangsabgabe missverstehen, letztlich aber eine Art kollektiver Investition in die letzten Reste eines unabhängigen Fernsehjournalismus ist. Gut, dass damit auch patriotisch enthemmtes Jubelpersertum wie im lückenlos gezeigten Wintersport finanziert wird, hat mit Journalismus wenig zu tun, aber damit ist es ja seit Sonntag endlich so vorbei wie mit dem Rosenverkäufer namens „Bachelor“, der RTL im Finale Minusquoten bescherte.
Vorbei ist es auch mit Franz Beckenbauer als Sky-Experte, was weniger schade ist als die Frage aufwirft, wie sich der ebenso selbstgerechte wie undurchsichtige Fußballpatriarch so lang am Mikro eines ernstzunehmenden Senders halten konnte. Weit bedauerlicher ist dagegen, dass Carlo Rola keines mehr zur Hand nehmen wird: Herztod mit 57, heißt es über den Regisseur, der eine Art platonischer Symbiose mit Iris Berben gebildet und praktisch jeden ihrer 2763 Filme verfasst, gedreht, produziert hat.
Seine Familiendramen („Die Krupps“) und Reihenkrimis („Rosa Roth“) bilden dabei eine Art zeitgenössisches Vermächtnis des alten Leitmediums – und somit den Gegenentwurf zu dem, was das ZDF auf seinem Ableger Neo versucht: Internet und Fernsehen zu vereinen. Am Dienstag (22.30 Uhr) geht „Blockbustaz“ mit dem Rapper Eko Fresh als stinkfauler, aber herzenswarmer Kiffer im Kölner Plattenbau in Serie, was sich berechenbar der Netzgemeinde anbiedert – dafür steht auch der HipHop-Star Ferris MC als Sols Kumpel, mehr aber noch Joyce Ilg als fürsorglich-prollige Freundin, deren Facebook-Kanal gut eine Million Abonnenten hat; dennoch hat sich der Sieger des TVLab 2014 im Kreise illustrer Gaststars von Frederick Lau bis Moritz Bleibtreu spürbar vom Schülervideo-Niveau des Pilotfilms emanzipiert.
Die Zielgruppe jedoch dürfte sich höchstens zur Mediathek verirren. Im Regelprogramm wird sie ja selbst den Abriss ihrer eigenen Digitalexistenz am Dienstag beim Partnerkanal wohl ignorieren. Zu blöd eigentlich – ab 8.15 Uhr feiert ZDFinfo einen 16-stündigen Nerd-Tag mit Dokus von „Teenager in sozialen Netzwerken“ (16 Uhr) über „Das größte Geheimnis der Spiele-Industrie“ (20.15 Uhr) bis hin zum CCC-Porträt „Hacker, Freaks und Funktionäre – Der Chaos Computer Club“. Während sich die Spartenkanäle also ums Publikum von morgen abmühen, bedienen die großen Sender parallel dazu jenes von (vor)gestern. Das RTL-Biopic „Duell der Brüder“ um die Spaltung der Familie Dassler in Adidas und Puma vor 70 Jahren (mit anschließender Doku) bietet mit Ken Duken und Torben Liebrecht zwar zwei furiose Streithammel auf, verläuft sich ansonsten aber in der branchenüblichen Opulenz überdekorierter Zeitgeschichte, während „Das Geheimnis der Hebamme“ zeitgleich im Ersten zwar von sich behauptet, das populäre Sujet anspruchsvoller als zuletzt Sat1 zu verarbeiten, am Ende aber doch nur die wichtige Klientel der Mittelalterfans mit Schauwert versorgt.
Dann doch lieber echtes Eye-Candy wie „Tut“, Donnerstag und Freitag, jeweils 22.15 Uhr, bei Vox – die auf zwei Filme verdichtete US-Miniserie übers Leben des legendären Pharaos Tutanchamun, das dank Ben Kingsley abzüglich der brachialen Musik echt beeindruckend und vergleichsweise realistisch sein soll. Zumindest letzteres gilt gewiss nicht für „A Girl Walks Home Alone At Night“, ein dystopischer Vampirfilm aus den USA (Montag, 23.15 Uhr, NDR) der nicht nur von einer Frau gedreht wurde, was im Horrorgenre extrem selten ist, sondern auch ungewohnt feministische Töne anschlägt. Auf seine Art immerhin emanzipatorisch war die farbige „Wiederholung der Woche“ (Freitag, 0.00 Uhr, Kabel1) „Rocky Horror Picture Show“ von 1975, wohingegen der schwarzweiße Tipp immerhin Freiheitsliebe im Bann maximaler Unfreiheit zum Gegenstand hat: „Das Narrenschiff“ skizzierte 1965 mit Vivien Leigh in ihrer letzten Rolle die Weltgesellschaft am Vorabend der nationalsozialistischen Machtergreifung bei einer Fahrt von Südamerika nach Bremerhaven. In diese Zeit passt auch die Doku der Woche: „Das Ende des erhabenen Staates“ (Dienstag, 20.15 Uhr, Arte) über den Zerfall des Osmanischen Reiches und wie es das 20. Jahrhundert geprägt hat.
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17.5.2018 01:21Medienkolumne: Freitags MontagAmorphis sind schwer in Metal-Schubladen zu stecken. Dennoch verfügen die Finnen über eine große Fangemeinde, wie Justus Ledig erneut feststellte.
Stilistische Wandel, Balance-Akte zwischen verschiedensten Stilen und reichlich Genre-fremde Einflüsse: Das sind Amorphis. Seit einem Vierteljahrhundert fasziniert die finnische Band die Metalszene und darüber hinaus. Mit Songs aus dem neuen Album “Under the Red Cloud” und zahlreichen weiteren Nummern ihrer langen Schaffenszeit will man an diesem Dienstagabend das Gruenspan beglücken.
Es ist bereits einiges los, als mit Poem die erste Vorband auf der Bühne loslegt. Progressiver Metal mit Alternative-Anleihen und durchaus Härte, irgendwo zwischen Opeth, System of a Down und vielleicht ein bisschen Sólstafir ist das, was die Griechen da spielen. Auffällig ist einerseits sehr ambitionierter Sänger/Gitarrist, der sich mächtig ins Zeug legt und ein wirklich durchdringendes Organ aufweist. Dazu kommen mitunter vertrackte Rhythmen, die ein zweites Ohr verdienen. Zwar könnte man hier und da mit mehr Gradlinigkeit eher einen Blumentopf gewinnen, gerade als Live-Band – so richtig zum Abgehen knallt es dann doch zu wenig. Doch auf das Hamburger Publikum machen Poem offenbar einen guten Eindruck, es kommen mir keinerlei Klagen an die Ohren.
Schnell geht es weiter mit Omnium Gatherum. Die Landsleute des Haupt-Acts können eigentlich eine Wohnung in Hamburg beziehen, waren sie doch binnen zwölf Monaten nun drei mal in der Hansestadt. Und tatsächlich fühlt sich der Auftritt hier im Gruenspan ziemlich wie eine Blaupause der “Finnvasion” vom vergangenen Jahr an. Mit mal zügigem, mal bedächtigerem Melodic-Death-Metal und einem brillant aufgelegten Frontmann ziehen Omnium Gatherum erneut Hamburg in ihren Bann. Dem eifrigen Sänger Jukka frisst das Publikum aus der Hand, die sich mehr als einmal zur doppelten Quer-Pommesgabel, dem Markenzeichen der Band, formt. Haare wehen durch den vollen Saal, es wird eifrig geklatscht: Die Stimmung ist ausgezeichnet. Und das merken Omnium Gatherum ebenfalls, zeigen sich angetan von den Reaktionen. Ob es gerade alte Songs oder Nummern vom brandneuen Album “Grey Heavens” sind, spielt eine untergeordnete Rolle. Ein schöner Auftritt!
Auch der Headliner lässt sich nicht lange bitten. Von Beginn an glänzen Amorphis durch eine durchkomponierte Bühnenshow, bestehend aus stilvollen Outfits, einem ästhetischen Backdrop zum “Under the Red Cloud”, fantasievoller Bühnen-Deko und einem bewegungsfreudigen Frontmann, der sich inzwischen seiner Dreadlocks entledigt hat. Nur eine Nuance, aber wie Tomi Joutsen sein steampunkiges Mikrofon hält, ist schon irgendwie cool.
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Kommen wir aber zur Musik: Amorphis haben einen feinen Tag erwischt und profitieren vom differenzierten Sound im Gruenspan, der die außergewöhnliche Musik der Band gut trägt. Rhythmische Riffs, tiefe Growls, filigrane Klargesänge, Gitarrensoli und das Keyboard erklingen allesamt gut ausbalanciert. Auf das aktuelle Album sind die Finnen überhaupt nicht festgelegt und spielen sich durch weite Teile der progressiv-folkig-melancholischen Bandhistorie, auch wenn nicht jedes der zwölf Alben berücksichtigt wird. Auch der frühere Sänger und Nach-wie-vor-Gitarrist Tomi Koivusaari darf bei alten Nummern noch mal seine Vocals zum besten geben.
Es ist ein ganz schön langer Auftritt, der zum Ende hin ein wenig seinen Tribut fordert. Nicht nur, dass auf einen Dienstag um halb zwölf allmählich die Luft beim Publikum schwindet – ohnehin scheint mir Hamburg heute nicht in größter Sangesfreude. Auch Tomi Joutsen singt zum Schluss des Sets nichts mehr ganz so treffsicher und voluminös. Bis dahin haben Amorphis allerdings auch rund anderthalb Stunden abgeliefert, sodass sich kaum jemand zu beklagen muss.
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17.5.2018 01:21Melancholie und Melodien: Amorphis, Omnium Gatherum und Poem im GruenspanJan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und dabei Haltung statt Schnulze und jämmerliche Sinnlosigkeit gefunden.
„Faschistoid“ ist ein überaus inflationär gebrauchter Begriff. Dabei muss einiges zusammenkommen, um ihm zu genügen: Totalitarismus, Führerprinzip, Feindbilder und ein verschwörungstheoretischer Ermächtigungsfuror gegen alles, was der Volksgemeinschaft so entgegensteht. Auf die Türkei bezogen, klingt „faschistoid“ da doch gleich weniger inflationär. Wegen angeblicher Kollaboration mit dem Prediger Fethullah Gülen, der die Gunst von Präsident Erdogan 2013 verlor, als er dessen halbem Hofstaat Korruption nachweisen konnte, hat die willfährige Justiz nun die regierungskritische Zeitung „Zaman“ unter staatliche Aufsicht gestellt.
Angesichts der Gefälligkeitsberichte, die Erdogan dort seither feiern, fragt sich: Was macht eigentlich die EU? Antwort: Eine Menge! Garniert mit diplomatisch formulierten Protestfetzen wird die Türkei wegen ihrer Rolle in der Flüchtlingskrise mit Geld und Wegsehen ausgestattet, was die Sache mit der Pressefreiheit, nun ja, irgendwie zweitrangig wirken lässt. Da ist es kaum noch einer Randnotiz wert, dass die Nachrichtenagentur Cihan ebenfalls unter Zwangsverwaltung gestellt wurde, die bereits ein Fernsehkonsortium in Windeseile so heruntergewirtschaftet hat, dass auch am Bildschirm nur präsidiales Wohlgefallen herrscht.
Was einmal mehr beweist, wie wichtig unabhängige Medien in den Händen vieler sind – selbst in demokratischen Rechtsstaaten wie unserem. Das Urteil des Bundeskartellamtes von 2005, die marktbeherrschenden Aktiengesellschaften Springer und ProSiebenSat1 nicht fusionieren zu lassen, ging exakt in diese Richtung. Dennoch hat es letztere auch ohne erstere geschafft, als erstes Medienunternehmen überhaupt in den DAX aufzusteigen. Mit einem TV-Programm übrigens, das zwar nur noch Peanuts zum Konzernerlös beiträgt, aber selbst die Konkurrenzangebote prägt.
Ob das ZDF ohne den Einfluss der privaten Unterhaltung opulentes Puschenkino wie „Ku’damm 56“ produziert hätte, sei mal dahingestellt. Die inflationär gebrauchte öffentlich-rechtliche Historienschnulze rings ums Kriegsende ist schließlich eine Erfindung des dualen Zeitalters, in dem alle Form den Inhalt besiegt hat. Auch die Geschichte dreier grundverschiedener Töchter einer Berliner Tanzschulbesitzerin hätte demnach das übliche Kostümgelage im Wirtschaftswunderambiente werden können – ginge es Regisseur Sven Bohse (Buch: Annette Hess) zwischen all den Nierentischen und Petticoats nicht um was anderes.
Oberflächlich mag Mauerblümchen Monika (Sonja Gerhardt) nach verpatzter Hauswirtschaftslehre als Tanzlehrerin zwischen mütterlichem Kontrollfreak (Claudia Michelsen) und Freiheitsdrang (Rock’n’Roll), heiratswilliger und verheirateter Schwester, gutem und fiesem Verehrer hin und hergerissen werden. Dahinter aber skizziert der Dreiteiler (Sonntag, Montag, Mittwoch) mit recht tiefgründiger Hingabe das männliche Abwehrgefecht gegen den damaligen Verfall des Patriarchats. Gewiss, es gibt die gewohnten Klischees wie notorische Überdekoration, als trügen 2076 alle Figuren eines Historienfilms übers Jahr 2016 Vollbart oder Steckfrisuren. Aber es ist stets spürbar, dass dies nur den Schauwert für etwas liefert, das Historienschnulze ansonsten fehlt: Haltung.
Die hatte im ersten Teil seiner losen Krimireihe auch Privatdetektiv „Dengler“, eindringlich gespielt von Ronald Zehrfeld. Im zweiten Teil kann er dieses Niveau am Montag im ZDF aber nicht ganz halten – trotz Birgit Minichmayr als burschikose Hackerin an seiner Seite. Ganz anders hält es da Wotan Wilke Möhring, dessen Hamburger „Tatort“-Ermittler Falke ohne seine Partnerin Lorenz alias Petra Schmidt-Schaller drohte, zur halben Milchbart-Portion zu schrumpfen. Doch die unprätentiöse Franzsika Weisz als Julia Grosz an seiner Seite macht im neuen Fall um islamistischen Terror in Deutschland schnell klar, dass da etwas sehr Apartes zusammenwachsen könnte.
Und das kann man vom nächsten Export deutscher Kommissare in ein reiseprospekttaugliches Ausland nun wirklich nicht behaupten. Im „Urbino-Krimi“ ermittelt ab Donnerstag (ARD) Katharina Wackernagel in einer italienischen Barock-Stadt, was von so jämmerlicher Sinnlosigkeit ist, dass selbst ihr Zuspieler Hannes Jaenicke angeblich vor Scham errötet ist, als er das selten dümmliche Kalauergefasel erstmals am Bildschirm sah. Dann doch lieber David Garrett als Teufelsgeiger Niccolò Paganini Freitag auf Arte. Besser aber noch eine fabelhafte Doku um acht „Soundhunters“, die Mittwoch (23.30 Uhr SWR) aus Alltagsgeräuschen Musik machen. Und falls alles nichts nützt: „Wiederholungen der Woche“ schauen. In Farbe auf ServusTV (Mittwoch, 22.15 Uhr): „Kramer gegen Kramer“ von 1979 mit Dustin Hoffman und Meryl Streep im Ehekrieg. Und weil es in schwarzweiß nichts so recht zu empfehlen gibt, wird es gleich sachlich: „Niki de Saint Phalle & Jean Tinguely“ (Mittwoch, 23.15 Uhr, Arte) eine hinreißende Doku übers vielleicht produktivste Künstlerpaar ever. Und zum Abschluss der DVD-Tipp: die ersten zwei Teile vom „Tel-Aviv-Krimi“ (ab 19,99 Euro, Edel), der zwar ebenfalls deutsche Polizei ins Ausland schickt und dabei kaum ein Klischee auslässt, aber dennoch seriös unterhält.
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17.5.2018 01:21Medienkolumne: Freitags MontagZwei Tage voller handverlesener Metal-Bands: Das Festival “Hell over Hammaburg” in der Markthalle ging in seine vierte Runde. Justus Ledig war dabei.
An diesem Konzept ist nicht zu rütteln. Beim “Hell over Hammaburg” stehen einmal mehr Künstler auf dem Programm, die man auch als beinharter Metal-Fan nicht unbedingt kennt. Kaum entdeckte Newcomer wechseln sich mit Veteranen ab, denen der richtige Durchbruch verwehrt blieb. Statt großer Namen also eine Menge Geheimtipps aus aller Herren Länder, von denen etliche ein zweites Ohr verdient haben.
Dieses Jahr findet das Insider-Festival an zwei Tagen statt. Am Freitag geht es bereits um 17 Uhr los, was für manche Besucher nicht zu schaffen ist. Und so beginnt auch dieser Bericht erst mit dem dritten Auftritt des “Hell over Hammaburg” 2016.
Die Band auf der Bühne hört auf den Namen Archgoat, stammt aus Finnland und spielt Black Metal. Seit 16 Jahren netto – brutto wesentlich länger – sind die Schwarzheimer im Geschäft. Dass Archgoat hier spielen, darf durchaus kritisch gesehen werden, veröffentlichten sie doch kürzlich eine Split-LP mit einer Band, die politisch äußerst fragwürdig ist. Dies geschah zwar erst, nachdem die Veranstalter sie buchten, und das Problem wurde als solches wahrgenommen. Grauzone sollte dem “Hell over Hammaburg” künftig allerdings bitte fernbleiben.
Die Markthalle ist jedenfalls gut gefüllt und Archgoat spielen so, wie man es von einer Black-Metal-Band erwarten darf: wenig Show, rotziger Sound, Musiker mit wütender Attitüde. Und so schmeißt Sänger/Bassist Lord Angelslayer auch mal sein Mikro durch die Gegend, da ihm offensichtlich der Klang nicht passt. Tatsächlich ist der nicht ganz optimal, aber das ist nichts, was nicht zu dieser Art von Musik passen würde.
Weiter geht es mit Dawnbringer. Hier ist der umtriebige Chris Black aus den USA am Werk, der in zahlreichen Bands aus allen möglichen Genres die Fäden zieht. Seine abwechslungsreiche, doch wenig prätentiöse Heavy-Metal-Combo hat er für das “Hell over Hammaburg” zum ersten Mal in ihrer 20-jährigen Historie über den großen Teich gebracht.
Mit leidenschaftlicher Performance ziehen Dawnbringer und vor allem Bandkopf “Professor” Black am Bass und Gesang den Auftritt durch. Ganz so schlagkräftig wie mit High Spirits im vergangenen Jahr – eine seiner weiteren Bands – wirkt die Truppe hier allerdings nicht. Dennoch scheinen die Amerikaner zufrieden und freuen sich über die zahlreichen Gäste, die Dawnbringer einen würdigen Applaus bereiten.
Nun hat es sich ein gutes Stück geleert, als mit Sulphur Aeon die letzte Band des Freitagabend an der Reihe ist. Death Metal aus NRW steht an, Tiefsee und der Cthulhu-Mythos sind das lyrische Sujet. Die Band ist bereits zum zweiten Mal dabei, was eigentlich so nicht in das Programm des HoH passt. Doch mit einem vielgefeierten zweiten Album haben sich Sulphur Aeon einen starken Ruf in der Szene gespielt.
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Die Show lebt nicht gerade von viel Bewegung, aber an Ausdruck mangelt es ihr nicht. Der atmosphärische, tiefe Sound erweist sich als sehr bühnentauglich. Viel Nebel und fantasievolle Gewänder der Beteiligten tragen dazu bei. Für mehr als eine Stunde Spielzeit, die den Lovecraft-Jüngern zusteht, reicht der Spannungsbogen des Konzerts jedoch nur bedingt, denn es fehlt etwas an Abwechslung. Und so geht der erste Tag des Festivals zu Ende.
Am nächsten Tag – es ist früher Nachmittag – ist es noch sehr leer in der Markthalle. Heat aus Berlin haben die undankbare Rolle des Anheizers, es gibt Hard Rock mit deutlichem Blues-Anteil und ein bisschen Psychedelik auf die Ohren der wenigen Besucher. Der Sound weiß sehr wohl zu gefallen, die Band zeigt sich ausgesprochen spielfreudig. Trotz geringer Zuschauerzahl scheinen Heat von ihrem eigenen Auftritt ebenfalls angetan.
Heute ist auch das MarX Schauplatz. Dort vergnügen sich Lethal Steel, eine junge Band aus Schweden auf ihrem ersten Gig außerhalb der Heimat. Dort oben im Norden muss sich wohl eine Quelle aufgetan haben, aus der unentwegt Nachwuchs-Heavy-Metal-Bands sprudeln! Lethal Steel wirken, als würden gleich die 80er anrufen und ihre Mucke zurückfordern. Spandex-Hosen, bunte Shirts, ein sehr oldschooliger Sound – einen Innovationspreis gibt’s so nicht. Allerdings lassen die Burschen auch mal schwedische Texte auf das MarX los – das jetzt schon ziemlich voll ist.
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Ebenfalls aus Schweden kommen Trial, die den nächsten Slot innehaben. Diesmal sind wir wieder in der großen Markthalle, die sich etwas besser gefüllt hat. Der seit neun Jahren bestehende Fünfer kredenzt abwechslungsreichen, epischen Heavy Metal mit 70er-Jahre-Einschlag – ein sehr passend gestylter Sänger inklusive. Damit passen Trial auf jeden Fall wie die Faust aufs Auge zu diesem Festival. In völlige Ekstase versetzt die Band die Markthalle zwar nicht, aber sie macht ihre Sache gut und überspielt auch technische Probleme sehr professionell. Dankbarer Applaus ist Trial gewiss.
Während Mountain Witch im MarX an der Reihe sind, muss auch mal Pause sein. Es folgen Wederganger aus den Niederlanden, die sich mit wuchtigem Weihrauch-Duft ankündigen. Die erste Band aus dem extremeren Bereich spielt atmosphärischen, moderigen Black Metal ohne viel Schnickschnack, dafür mit zwei Sängern – einer fürs Gekrächze, einer für tiefen Klargesang. Stark!
Es zeichnet sich ab: Zahlreiche Bands des “Hell over Hammaburg” neigen dazu, sich mit schwarzen Kapuzen zu verhüllen. Damit erschöpft sich bei den Wedergangern die Show nicht, denn die beiden Sänger bringen mächtig Bewegung auf die Bühne. Ihre Songs vom bislang einzelnen Album plus ein Cover von The Devil’s Blood als Zugabe werden vom Hamburger Publikum mit Kusshand aufgenommen. Eine Band, die man auf dem Schirm behalten sollte.
Natürlich gibt es nicht nur Perlen auf dem HoH. Sagen wir so: Bestial Raids aus Polen sind wirklich nur was für Liebhaber. Kompromissloses Geknüppel prasselt durch das MarX, in das es immer schwieriger wird, hineinzukommen. Besagte Liebhaber kommen bei dem Death-/Black-Metal-Rauschen gewiss auf ihre Kosten; unsereins hält es dort nicht lange.
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Damit geht es wieder über zu klassischeren Klängen, denn RAM sind im großen Saal am Drücker. Abermals haben wir es hier mit einer Gruppe aus Schweden zu tun, die mit deutlichen Anleihen bei Judas Priest Hamburg auf ihre Seite ziehen will. Das gelingt ganz gut, die Göteborger können an zahlreichen Stellen dem Publikum das Singen überlassen.
Auffällig ist, wie “armlastig” die Show des Sängers ist. Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit verweist Herr Carlquist auf seine Muskulatur. Ob es Zufall ist, dass RAM und “Arm” Anagramme bilden? Aber halten wir uns mit Oberflächlichkeiten nicht auf, die Musik funktioniert ausgesprochen gut und findet reichlich dankbare Abnehmer in der Markthalle.
Nun wird es mal so richtig obskur (ein Attribut, das das “Hell over Hammaburg” eigentlich ohnehin gepachtet hat): Wer auch immer sich hinter (Dolch) verbirgt, sie haben da mächtig was losgetreten. Ins MarX ist kaum hineinzukommen, so gespannt ist das Hamburger Publikum auf diese ominöse Band, die gerade erst zwei Demos veröffentlicht hat.
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Okkulter, hypnotischer Sound mit Gitarrenwänden und Frauengesang, dargeboten in dunklen Kapuzen, damit auch ja keine Identität preisgegeben wird – (Dolch) wissen, wie sie mit dem Verharren im Verborgenen neugierig machen. Und dazu stimmt die Musik auch noch, denn diese erschallt wie von einer anderen Welt durch das gebannte MarX. Definitiv einer der größten Auftritte des Festivals.
Etwas Pause, dann etwas Skepticism. Die Mitbegründer des sogenannten “Funeral Doom Metal” haben ihren Auftritt in der Markthalle. Der Name des Genres wird ernstgenommen, die Stimmung ist todtraurig, die Inszenierung theatralisch: Mit viel Hingabe zelebrieren die Finnen ihre ausgesprochen langsame und depressive Klangkunst. Da steht ein Orgel-ähnliches Keyboard auf der Bühne, die Herren sind in feinem Zwirn gekleidet. Eine Show, die einer Beerdigung würdig ist. Indes stößt das Schauspiel nicht auf unbedingte Gegenliebe beim Hamburger Publikum, im Foyer scheint mehr los zu sein als im großen Saal.
So langsam bleibt es nicht – im Gegenteil. Am fortgeschrittenen Sonnabend, es ist halb zehn, entern Mgła aus Polen die Bretter der Markthalle. Die Black Metaller haben sich was ganz Besonderes für ihr Bühnenoutfit ausgesucht und tragen dunkle Kapuzen. Mag sein, dass Mgła früher damit waren als andere, aber der Trend beginnt zu langweilen.
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Kurzweilig ist jedoch der Sound. Direkt nach vorn, finster, atmosphärisch und dazu ein Drummer, der richtig Tempo machen kann – das gefällt. Viel Show seitens der Musiker gibt es nicht, die Musik spricht für sich. Dass sich mitunter bunte Lichtstrahlen in die düstere Bühnenoptik einschleichen, verwirrt da nicht weiter. Mgła liefern ein astreines Brett ab, was sehr gut ankommt: Zum letzten Mal an diesem Abend ist die Halle richtig gut gefüllt.
Bei Demon, die das Finale des vierten “Hell over Hammaburg” liefern, sind schon etliche Besucher nach Hause gegangen. Das scheint die Veteranen der “New Wave of British Heavy Metal”, die in den frühen 1980er Jahren eine kleine Hochphase hatten und dann etwas in der Versenkung verschwanden, kaum zu stören. Fröhliche Herren fortgeschrittenen Alters haben sichtlich Spaß, ihre alten und neuen Songs unter das verbliebene Volk zu bringen.
Und selbst, wenn Demon mit ihrem gemütlichen Sound auch niemandem bei einem Stadtfest in Rendsburg wehtäten: Spätestens bei den großen Klassikern “Don’t Break the Circle” und “Night of the Demon”, die ganz zum Schluss des 70-minütigen Sets dargeboten werden, ist das HoH noch mal mit satten Kehlen dabei. Und so, wie sich die Band freut, dürften alle zufrieden sein.
Fazit: Das “Hell over Hammaburg” bot auch in seiner vierten Auflage eine eindrucksvolle stilistische Bandbreite von gefälligen bis extremen Rock- und Metal-Klängen, die Besucher aus der ganzen Republik und darüber hinaus anzog. Die Verteilung Freitag/Sonnabend schien nicht hundertprozentig ausgewogen, ein größeres Essensangebot wäre stark und sicherlich hätten sich manche Besucher über Tagestickets gefreut – unter rund 60 Euro für das Gesamtpaket gab es keinen Einlass.
Fest steht, dass die Macher echte Leidenschaft für Metal in seinen zahlreichen Facetten hegen und diese an die Fans weitergeben. Organisatorisch gibt es keinen Grund zur Klage und auch menschliche Ausfälle waren nicht zu beobachten. Ja, so kann es weiter gehen, HoH!
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17.5.2018 01:20Hell over Hammaburg IV: Krach und Kapuzen in der MarkthalleJan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und dabei einen Hang zu heißer Luft und leichte, aber nicht seichte Kost gefunden.
Seit die Medien nicht mehr als Informationsplattform, sondern zusehends als Bühne wahrgenommen werden, steht die Frage im Raum, wem man sie freiwillig überlassen darf und wem weniger. Erich Böhme etwa hielt es vor 16 Jahren für ratsam, Jörg – möge er in der Hölle braten – Haider zum „Talk im Turm“ einzuladen und wurde vom Kärntner Rechtsaußen nach allen Regeln der Redekunst vorgeführt. Dem versierten Reporter Jörg Schönenborn, vor allem aber seinem Kollegen Hubert Seipel erging es bei ihren Audienzen im Palast Wladimir Putins zuletzt kaum anders. Nun aber traf ihr ARD-Kollege Thomas Anders mit Bashir al-Assad einen echten Schurken zum Interview, was angesichts der Menschheitsverbrechen des syrischen Diktators noch deutlicher die Frage aufwirft: Darf man das? Bringt das was? Und vor allem: wem?
Antwort: Man darf, es bringt was und zwar allen. Kommunikation ist wichtig, immer, wie abstrus die Kommunizierenden auch kommunizieren. Gewiss, die Herren Böhme, Seipel, Anders sind wie so viele Journalisten an der geschmeidigen Eloquenz des Bösen im 21. Jahrhundert abgeprallt. Aber was wäre die Alternative – Schweigen, Maulen, Luft anhalten? Wie gut, dass es da den Humor gibt. Mit dem schaffte es vorige Woche ein „Papagei, der als Bankangestellter arbeite“, wie sich Moderator John Oliver in seiner HBO-Show „Last Week Tonight“ nannte, Donald Trump als das zu entlarven, was der irrlichternde Brachialpopulist ist, nämlich ein irrlichternder Brachialpopulist.
Womit bewiesen wäre: dem Aberwitz unserer Tage begegnet man mit witzigem Widerspruch immer noch besser als mit Waffen und Gewalt. Ein telegenes Beispiel dafür liefert ausgerechnet Til Schweiger. Sein (leider nicht letzter, sondern nur) voriger „Tatort“ hat laut einer Studie der Medienforscher Nielsen doch nicht wie zunächst berechnet 596.375 Abrufe in der ARD-Mediathek erzielt, sondern ein Drittel weniger. Weshalb ein Fall der Ulknudeln Liefers und Prahl mit 463.351 weiterhin Rekordträger bleibt. Den Hang zu heißer Luft haben Nick Tschiller und Donald Trump offenbar gemeinsam.
Die entweicht bekanntlich auch Sat1, wenn es sein Publikum emotional zu Kasse bittet. Wenn Annette Frier mitspielt, gelingt dem Schnulzen-Sender allerdings gern etwas Gutes wie das Melodram „Zwei Leben. Eine Hoffnung“ (Dienstag, 20.15 Uhr). Thema: Organspende. Auf die wartet Frank seit Jahren, und bevor die Frage geklärt ist, welche Berliner Eltern ihr Kind 1999 wohl so genannt hätten, halten wir fest: Bis auf ein paar seltsame Namen wie den Titel des Films, ist er auch deshalb so gut, weil es mal nicht um Annette Frier als bodenständiger Fels in der kapitalistischen Brandung geht, sondern die menschliche Seite der Transplantationsökonomie ringsum.
Als endlich eine Leber mit Franks seltener Blutgruppe übereinstimmt, braucht sie das Flüchtlingskind Dafina noch dringender. Zwischen kalkulierender Klinikleitung, zweckoptimistischen Eltern, zerrissenen Kindern und Frier als überforderte Chirurgin, entsteht daraus ein intensives Kammerspiel, das Regisseur Richard Huber gottlob nicht ständig in Geigenteppiche wickelt. Das eint den Regisseur mit seinem Kollegen Stefan Schaller, der das andere Großdrama der Woche verantwortet. In „Aus der Haut“ hat Franks Altersgenosse Milan ein Coming-Out, das sich wohltuend vom Mainstream über Homosexuelle abhebt. Die Geschichte eines Jungen, der an seiner Verwirrung zu zerbrechen droht, wird konsequent übers Umfeld erzählt, in dem Milans Bekenntnis die gesamte Vielfalt der Homophobie offenlegt. Nicht nur wegen Merlin Rose als lebensfroh verzweifelte Hauptfigur unbedingt empfehlenswert.
Und bevor alle politisch relevanten Sender den Superdoppelbundesländernamenwahlsonntag in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg ab 17.30 Uhr mit Aufmerksamkeit bedenken (die dem Weltfrauen(diens)tag trotz dreier Arte-Dokus namens „The Power of Woman“, „Freiheitskampf der Kurdinnen“ und „Kriegsfotografinnen“ ab 20.15 Uhr eher nicht so zuteil wird), gibt es auch noch leichtere Kost. Die österreichische Tragikomödie „Der Glanz des Tages“ etwa (Mittwoch, 22.35 Uhr, 3sat), wo ein Schauspieler (Philipp Hochmeier) in den Bann eines Vagabunden gerät, der alle Realitäten auf die Probe stellt. Oder die Netflix-Serie „Flaked“ ab Freitag mit Will Arnett als Selbsterfahrungsguru Chip, der sich irgendwie liebenswert im eigenen Lügengeflecht verheddert.
Die „Wiederholungen der Woche“ widmen sich zum Weltfrauentag aber doch wieder den Damen der Schöpfung. In schwarz-weiß Billy Wilders oscarprämierte Hollywoodnabelschau „Boulevard der Dämmerung“ von 1950, in dem er heute (20.15 Uhr, Arte) die Stummfilmdiva Norma Desmond (Gloria Swanson) am Übergang zum Tonkino porträtiert. Tags drauf dann darf Barbara Sukowa nochmals in Margerethe von Trottas Rosa Luxemburg von 1986 brillieren (22.40 Uhr, 3sat), bevor die „Doku der Woche“ (Mittwoch, 21.55 Uhr, Arte) die wohl unvergleichlich politische Philosophien Hannah Arendt porträtiert. Und ab sofort, ganz neu und wirklich gut gemeint, ein DVD-Tipp. Zum Auftakt die 1. Staffel von „Candice Renoir“ (27,99 Euro, Edel) mit Cécile Bois als alleinerziehende Kommissarin, was atmosphärisch typisch für französische Filme ungeheuer leicht ist, ohne seicht zu sein.
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17.5.2018 01:20Medienkolumne: Freitags Montag